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4. März 2024

Neues zum Regressverzicht im Mietrecht

Klage der Wohngebäudeversicherung gegen Mieter nach Brandschaden abgewiesen.

von Andreas Rau

In einem vor dem AG Essen verhandelten Fall wurde ein von uns vertretenes, älteres Mieterehepaar nach einem Brandschaden in der Wohnung von der Wohngebäudeversicherung des Vermieters auf Zahlung von rund 55.000 EUR in Anspruch genommen.

Der Bundesgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass der Mieter, der in der Wohnung einen Schaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat, regelmäßig vor einem Rückgriff des Gebäudeversicherers des Vermieters geschützt ist (sogenannte "Versicherungsrechtliche Lösung", BGH, Urteile vom 8. November 2000 - IV ZR 298/99, vom 3. November 2004 - VIII ZR 28/04, vom 13. September 2006 - IV ZR 273/05, vom 10. November 2006 - V ZR 62/06 (betr. Wohnungseigentümer), vom 20. Dezember 2006 - VIII ZR 67/06, vom 27. Januar 2010 - IV ZR 129/09 und vom 10. Mai 2011 - VI ZR 196/10 sowie Beschlüsse des BGH vom 12. Dezember 2001 - XII ZR 153/99, vom 15. November 2011 - II ZR 304/09 und vom 21. Januar 2014 - VIII ZR 48/13).

So stehen dem Vermieter gegen den Mieter zwar Schadensersatzansprüche zu, wenn dieser die Mietsache fahrlässig beschädigt. Diese gehen auf den Versicherer über, soweit dieser Leistungen erbringt (gesetzlicher Forderungsübergang, § 86 Abs. 1 S. 1 VVG). Somit könnte der Versicherer den Mieter rein formell aus übergegangenem Recht auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Der Bundesgerichtshof urteilt jedoch, dass eine durch die Interessen der Vertragsparteien gerechtfertigte ergänzende Auslegung des Gebäudeversicherungsvertrages dazu führe, dass ein stillschweigender Regressverzicht des Versicherers gegenüber dem Mieter anzunehmen sei. Hätte der Vermieter den Brand selbst fahrlässig verursacht, würde er diesen von der Versicherung vollständig ersetzt bekommen, da die Versicherung nur bei Vorsatz leistungsfrei oder bei grober Fahrlässigkeit zur Kürzung der Versicherungsleistung berechtigt ist, vgl. § 81 VVG. Der Vermieter sei daran interessiert, das Mietverhältnis nicht mit einer Regressforderung gegen den Mieter zu belasten. Daher sei ein stillschweigender Verzicht der Versicherung auf Ansprüche gegen den fahrlässig handelnden Mieter in den Versicherungsvertrag zwischen Versicherung und Vermieter hineinzulesen (BGH, Urteil vom 08.11.2000, IV ZR 298/99).

Diese Freistellung des Mieters von einer Haftung gegenüber dem Gebäudeversicherer gilt unabhängig davon, ob die Kosten für die Wohngebäudeversicherung tatsächlich mit der Nebenkostenabrechnung auf den Mieter (anteilig) umgelegt werden, da die Kosten ansonsten nach Auffassung des BGH in die Miete eingepreist seien (BGH, IV ZR 378/02, IV ZR 116/05 und IV ZR 273/05).

Auch der Vermieter selbst kann in diesen Fällen keinen Schadensersatz von dem Mieter beanspruchen, sondern muss sich darauf beschränken, den Schaden bei seiner Wohngebäudeversicherung zu liquidieren, auch wenn dies dort zu einer Beitragserhöhung führen sollte. Dies gilt selbst dann, wenn der Mieter über eine eigene Haftpflichtversicherung verfügt und hierüber leistungsfähig wäre, siehe etwa: BGH, Urteil vom 19.11.2014, VIII ZR 191/13.  

Da eine vollständige Leistungsfreiheit der Versicherung gegenüber dem Versicherungsnehmer nach der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes nur noch bei Vorsatz und bei grober Fahrlässigkeit nur eine (quotale) Kürzung des Anspruchs in Betracht kommt, wurde in der Folge diskutiert, ob dem Mieter diese Regelung ebenfalls zugutekommen solle. Dies hätte dazu geführt, dass in Fällen grober Fahrlässigkeit die Versicherung regelmäßig nur anteilig von dem Mieter Regress hätte nehmen können. Dem hat der Bundesgerichtshof jedoch eine Absage erteilt. In Fällen grober Fahrlässigkeit bleibe es bei der vollen Haftung des Mieters. Der Regressverzicht beziehe sich ausschließlich auf die Fälle einfacher Fahrlässigkeit (BGH, IV ZR 52/14).  

Wie aber ist der Fall zu bewerten, dass der Vermieter in seinem Versicherungsvertrag explizit einen Verzicht auf die Einrede der groben Fahrlässigkeit vereinbart hat? Hierbei handelt es sich um eine tarifliche Kondition, bei der der Versicherer auf den Einwand, dass ein Schaden durch grobe Fahrlässigkeit entstanden sei, verzichtet. Dieser Verzicht kann (gegen einen entsprechenden Aufpreis) im Versicherungsvertrag vereinbart werden. Der Vermieter könnte in diesem Fall die ungekürzte Versicherungsleistung auch dann beanspruchen, wenn er selbst den Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt hätte. Fraglich war, ob der Mieter denn jedenfalls in diesen Fällen seinerseits auch bei einem grob fahrlässig herbeigeführten Schadensfall vor einem Rückgriff des Wohngebäudeversicherers verschont bleibt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung zum Regressverzicht hat sich zu dieser Frage bislang, soweit ersichtlich, nicht geäußert.

Gerade in Fällen von Brandschäden steht der Vorwurf grober Fahrlässigkeit schnell im Raum. So wird in der Rechtsprechung eine grobe Fahrlässigkeit insbesondere dann angenommen, wenn der Mieter Speisen auf einem Herd erhitzt und diesen unbeobachtet lässt (vgl. etwa OLG Bremen, NZM 2023, 95; LG Osnabrück, Urteil vom 30.06.2020, 1 S 446/09). Denn die Erhitzung von Öl oder Fett in einem offenen Kochtopf stellt aufgrund des Gefährdungspotentials eine Handlung dar, die mit höchster Aufmerksamkeit durchzuführen ist.

Genau dieser Vorwurf wurde auch gegenüber den von uns vertretenen Mietern erhoben. Das Amtsgericht Essen ist im Ergebnis jedoch unserer Auffassung gefolgt, wonach in einem solchen Fall, in dem der Mieter (für sich) im Versicherungsvertrag einen Verzicht auf den Einwand grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalls ausgehandelt hatte, der Mieter ebenfalls auch bei grober Fahrlässigkeit vor einem Rückgriff des Gebäudeversicherers geschützt ist (AG Essen, Urteil vom 27.02.2024, 136 C 315/23). Die Klage gegen unsere Mandanten wurde daher abgewiesen.

Es bleibt nun abzuwarten, ob der Wohngebäudeversicherer gegen das Urteil in Berufung gehen wird.

Versicherungsrechtliche Vertretung erfolgt in unserer Kanzlei durch:

Andreas Rau

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
 
 

Wilhelmstraße 7
42697 Solingen

T 0212 7006-52
F 0212 7006-60

raustraesser.com

Dr. Sebastian Bartelt

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Baurecht und
Architektenrecht
 

Wilhelmstraße 7
42697 Solingen

T 0212 7006-32
F 0212 7006-60

barteltstraesser.com

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