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14. August 2023

Rechtsprechungsänderung: Selbständiges Beweisverfahren und Verjährungshemmung

von Dr. Sebastian Bartelt

Das selbständige Beweisverfahren ist ein gerichtliches Verfahren, das unter bestimmten Voraussetzungen außerhalb oder während eines regulären Streitverfahrens (Klageverfahrens) eingeleitet werden kann. Ein typischer Fall der Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens ist z.B., wenn ein Auftraggeber Baumängel rügt und Mängelrechte gegen den Auftragnehmer verfolgt. In einem selbständigen Beweisverfahren kann isoliert (also ohne, dass es eine Klage gibt) durch einen von einem Gericht bestellten Sachverständigen ein Gutachten erstellt werden. Typischerweise wird begutachtet, ob ein Mangel in technischer Hinsicht vorliegt, wie er zu beseitigen ist und welche Kosten hierfür erforderlich sind.

Vorteile des selbständigen Beweisverfahrens sind, dass ein Auftraggeber – so die Überlegung des Gesetzgebers – zügig zu einer gutachterlichen Aussage gelangt, die in einem sich etwaig anschließenden Streitverfahren zwischen den Parteien verbindlich ist. Beweise können so gesichert werden. Außerdem soll es dazu beitragen, einvernehmliche Regelungen zwischen den Parteien zu fördern, da der Ausgang eines Rechtsstreits über das Bestehen von Mängeln häufig ganz wesentlich vom Ergebnis der Begutachtung abhängt.

Über die Zweckmäßigkeit eines selbständigen Beweisverfahrens muss man im Einzelfall sorgfältige Überlegungen anstellen. Häufig sind die Verfahren nämlich „zäh“, da die Beweisaufnahme aufgrund Frage- und Gegenfragerechten von Antragsteller und Antragsgegner auszuufern droht, Gerichte und Sachverständige überlastet sind und die Parteien daher jeweils lange auf den jeweils nächsten Verfahrensschritt warten müssen.

Das selbständige Beweisverfahren führt auch zu einer Hemmung der Verjährung aller Ansprüche, die aus dem Gegenstand der Beweisaufnahme resultieren können. So manches selbständige Beweisverfahren wird rein aus dem Grund der Verjährungshemmung eingeleitet, da der entsprechende Antrag zumeist einfacher und schneller formuliert ist als eine Klage. Die Verjährungshemmung endet dabei sechs Monate nach Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens.

Seit Jahrzehnten ging die Rechtsprechung davon aus, dass bei Beendigung der Begutachtung einzelner von mehreren Punkten in einem selbständigen Beweisverfahren die Verjährungshemmung jeweils isoliert endete. Wenn also z.B. zwei Mängel Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens waren, nämlich beispielsweise ein undichtes Dach und eine undichte Bodenplatte, der Mangel am Dach abschließend begutachtet war, die Begutachtung der Bodenplatte sich aber noch Jahre hinzog, so endete nach der Rechtsprechung die Verjährungshemmung für Ansprüche wegen des undichten Dachs, obwohl das selbständige Beweisverfahren noch nicht insgesamt abgeschlossen war. In der Folge mussten (im Beispiel wegen Ansprüchen des Dachs) andere verjährungshemmende Maßnahmen ergriffen werden, z.B. eine Klage. Das führte aber dazu, dass dann zwei Verfahren (selbständiges Beweisverfahren und Klageverfahren) anhängig waren. Einer der vom Gesetzgeber intendierten Zwecke – die Vermeidung von Streitverfahren – konnte so nicht erreicht werden.

Mit Urteil vom 22.06.2023 (AZ: VII ZR 881/21) hat der Bundesgerichthof seine ständige Rechtsprechung geändert. Die Hemmung der Verjährung endet nach der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jetzt einheitlich erst sechs Monate nach Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens insgesamt. Die Leitsätze des Urteils lauten wie folgt:

„Ein selbständiges Beweisverfahren ist grundsätzlich mit der sachlichen Erledigung der beantragten Beweissicherung anderweitig beendet im Sinne von § 204 Abs. 2 Satz 1 Fall 2 BGB (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 28. Oktober 2010 - VII ZR 172/09 Rn. 11 m.w.N.).

Entscheidend für die Beurteilung der sachlichen Erledigung ist dabei grundsätzlich das Ende der gesamten Beweisaufnahme. Das gilt unabhängig davon, ob in einem selbständigen Beweisverfahren die Sicherung des Beweises hinsichtlich nur eines Mangels oder mehrerer - auch voneinander unabhängiger - Mängel stattfindet und auch ohne Rücksicht darauf, ob diese durch einen oder mehrere Sachverständige erfolgt (Aufgabe von BGH, Urteil vom 3. Dezember 1992 - VII ZR 86/92, BGHZ 120, 329).“

Diese Rechtsprechungsänderung ist zu begrüßen und kann dazu führen, dass das selbständige Beweisverfahren wieder attraktiver wird. In der Tat kann es nämlich den Parteien helfen, einen Vergleich zu verhandeln, ohne dass ein Klageverfahren durchgeführt werden muss. Aus Antragstellersicht kann das neue Urteil helfen, falls es Verjährungsprobleme – z.B. aufgrund eines Übersehens der bisherigen ständigen Rechtsprechung – gab.

Baurechtliche Beratung und Vertretung erfolgt in unserer Kanzlei durch die Rechtsanwälte Dr. Sebastian Bartelt, Peter Strässer und Bastian Schmeer.

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Dr. Sebastian Bartelt

Rechtsanwalt
Fachanwalt für Baurecht und
Architektenrecht
 

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