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12. Oktober 2022

Rechtsprechungsübersicht zum Thema Quarantäne während des Urlaubs

von Dr. Svenja Kahlke-Kreitzberg

Das Infektionsgeschehen im Zusammenhang mit der Coronapandemie hat zu vielen offenen Fragen im Arbeitsrecht geführt. Auch wenn die Anzahl der behördlich angeordneten Quarantänen bzw. der diesen gleichgestellten Fällen inzwischen deutlich zurückgegangen ist, ist der arbeitsrechtliche Umgang der Quarantäne in verschiedenen Bereichen weiterhin nicht abschließend geklärt.

Eine zentrale Frage geht dahin, was passiert, wenn die Quarantäne mit einem bewilligten Urlaub zusammenfällt, ohne dass der/die Arbeitnehmer/in erkrankt ist. Für den Fall der Erkrankung während des Urlaubes regelt das Bundesurlaubsgesetz in § 9, dass dann für die Tage der nachgewiesenen Arbeitsunfähigkeit keine Anrechnung auf den Jahresurlaub erfolgt.

Inzwischen gibt es hierzu einige Entscheidungen. Die Landesarbeitsgerichte Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Düsseldorf und Bremen vertreten hier die einheitliche Linie dahingehend, dass es an einer gleichlautenden Regelung für den Fall der Quarantäne fehle und die Quarantäne in den Risikobereich des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin falle. Der Urlaubsanspruch wird daher auch bei einer bestehenden Quarantäne (ohne Erkrankung) erfüllt.

Dies sah bislang einzig das Landesarbeitsgericht Hamm anders und wendet die oben genannte Vorschrift des Bundesurlaubsgesetzes analog an, d.h. der ursprünglich beantragte Urlaub wird nicht verbraucht. Interessanterweise hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in dem Revisionsverfahren (9 AZR 76/22) zu dem der Entscheidung des LAG Hamm zugrundeliegenden Sachverhaltes den Fall nunmehr der höchsten gerichtlichen Instanz vorgelegt, nämlich dem EuGH. Dabei folgt das BAG zwar der Auffassung, dass § 9 BUrlG im Falle der Quarantäne ohne Erkrankung nicht greift, möchte allerdings klären lassen, ob europarechtliche Vorschriften diese unterschiedliche Behandlung zulassen.

In der Praxis bedeutet das weiterhin Unsicherheit der für Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. Die arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung des EuGHs im Zusammenhang mit dem Urlaub erfolgte in der Vergangenheit gerade in den Bereichen bestehender Arbeitsunfähigkeit. Hierbei vertritt der EuGH u.a. die Auffassung, dass der Erholungszweck des Urlaubes im Falle einer Arbeitsunfähigkeit nicht erreicht werden kann. Es ist daher durchaus denkbar, dass der EuGH in den Fällen der Quarantäne ohne Erkrankung, in der der/die Arbeitnehmer/in nur eingeschränkt über seine/ihre Freizeitgestaltung, die dem Erholungszweck des Urlaubes dient, verfügen kann, ebenfalls entscheidet, dass der Urlaub hier nicht verbraucht wird.

Diese Wendung ist gerade für die Arbeitgeberseite – die sich zunächst vor dem Hintergrund der Vielzahl für sie günstigen Entscheidungen in Sicherheit wiegen konnte, eine unglückliche Entwicklung. Grund dafür ist auch hier die arbeitnehmerfreundliche Rechtsprechung des EuGH. Diese hat unter dem 22.09.2022 (C- 120/21) ganz aktuell noch einmal betont, dass die Möglichkeit der Erfüllung des Urlaubsanspruches und der Hinweis darauf in den Verantwortungsbereich der Arbeitgeberseite gehört. Dadurch ist noch einmal klargestellt, dass Arbeitnehmer/innen stets den Hinweis erhalten müssen, ihren Urlaub zu nehmen. Besteht allerdings Streit darüber, wie hoch der Urlaubsanspruch ist, so dürfte der allgemeine Hinweis, dass Urlaub bis zum Jahresende zu nehmen ist, nicht ausreichen. Dies kann im Hinblick auf die obige Entscheidung sogar bedeuten, dass der Urlaubsanspruch insoweit nicht der Verjährung unterliegt, d.h. auch noch Jahre später geltend gemacht werden sollte.

Gerade mit Blick auf das herannahende Jahresende empfiehlt sich hier eine rechtliche Beratung.

Update! Für die Zukunft gilt, dass behördlich angeordnete Quarantänezeiten nach dem kürzlich in Kraft getretenen neuen § 59 I IfSG nicht mehr auf den Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers angerechnet werden.

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Dr. Svenja Kahlke-Kreitzberg

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Medizinrecht
 

Wilhelmstraße 7
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