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11. November 2022

Medizinrecht aktuell: Unzufrieden mit der Behandlung – was nun?

von Dr. Svenja Kahlke-Kreitzberg

In der jährlich von dem renommierten Unternehmen PwC durchgeführten Studie Healthcare-Barometer zeigen sich nur 63% der Patienten mit der Behandlung im Krankenhaus und 43% der Patienten mit der Behandlung durch behandelnde Ärzte zufrieden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass diese Zahlen nicht nur die Zufriedenheit mit der eigentlichen Behandlung widerspiegeln, sondern dabei auch die Mängel im Bereich Service, Unterbringung etc. erfasst werden. Nichtsdestotrotz ist erkennbar, dass oft Zweifel bestehen, ob eine Behandlung ordnungsgemäß erfolgt ist, gerade, wenn der Behandlungserfolg nicht erreicht wird oder sogar Schäden zurückbleiben.

Oft besteht hier einfach nur ein Gefühl des Patienten, das etwas nicht so richtig gelaufen ist. Zur Aufklärung macht es Sinn hierzu die Patientenunterlagen anzufordern.

Das Recht des Patienten, auf Einsichtnahme in seine Krankenunterlagen, folgt bereits aus dem mit dem Arzt oder der behandelnden Einrichtung geschlossenen Behandlungsvertrag bzw. seine Gewährleistung stellt eine vertragliche Nebenpflicht dar. Der Patient hat dabei grundsätzlich das Recht vollumfassend in die ihn betreffenden Patientenunterlagen Einsicht zu nehmen. Dieser zunächst durch die Rechtsprechung entwickelte Grundsatz wurde durch die Einführung des § 630g Abs. 1 BGB gesetzlich geregelt. Der Anspruch ist auch unabhängig davon, ob der Patient beabsichtigt, den Vorwurf eines Behandlungsfehlers zu erheben. Der BGH hat in einem Beschluss vom 21.06.2022, Az.: VI ZR 1067/20 klargestellt, dass es sich bei dem Einsichts- und Herausgabeanspruch gem. § 630g BGB um einen selbstständigen Anspruch handelt, der nicht nur den Zweck hat, im Vorfeld eines Prozesses die Klage vorzubereiten.

Dieser Anspruch selbst kann durch Klage durchgesetzt werden, wenn der Behandler oder die Einrichtung dem Verlangen auf Überlassung nicht nachkommt.

In der Regel verlangt der Behandler oder die Einrichtung für die Übersendung der Unterlagen Kopie – und/ oder Verwaltungskosten. Werden diese Kosten nicht ausgeglichen oder eine Kostenzusage erteilt, werden die Unterlagen oft zurückgehalten. Mit der Frage ob eine solche Kostentragung verlangt werden kann, muss sich aktuell der EuGH beschäftigen. Hat der Oberste Gerichtshof im Nachbarland Österreich bereits klar statuiert, dass sich aus der europarechtlichen Datenschutzgrundverordnung zwingend einen Anspruch auf eine kostenfreie Übersendung ergibt, scheint sich das höchste deutsche Zivilgericht, der BGH, nicht so sicher zu sein. Mit Beschluss vom 29.03.2022, Az.: VI ZR 1352/20 legt der BHG dem EuGH in einem sogenannten Vorabentscheidungsersuchen die Frage vor, ob, soweit die Einsichtnahme nicht dem Zweck dient, die Einhaltung datenschutzrechtlicher Regelungen zu prüfen, sondern datenschutzfremde Ziele verfolgt – wie etwa die Prüfung von arzthaftungsrechtlichen Ansprüchen – die Vorlage der ersten Kopie nicht unentgeltlich erfolgen muss. Diese Fragestellung zeigt allerdings, dass der Senat offensichtlich der Auffassung der Vorinstanz, des LG Dessau nicht folgen möchte, die einen Anspruch auf unentgeltliche Überlassung der ersten Kopie bejaht hatte.

Liegen die Behandlungsunterlagen allerdings vor, bietet die Einsicht in diese dem Patienten die Möglichkeit sich mit der Behandlung auseinanderzusetzen und damit auch eine vollumfängliche Überprüfung im Falle des Verdachtes eines Behandlungsfehlers.

Sollte der Verdacht eines Behandlungsfehlers im Raum stehen, macht es Sinn, die Krankenkasse unmittelbar hierüber zu unterrichten. § 66 SGB V regelt hierzu:
„Die Krankenkassen sollen die Versicherten bei der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen, die bei der Inanspruchnahme von Versicherungsleistungen aus Behandlungsfehlern entstanden sind und nicht nach § 116 des Zehnten Buches auf die Krankenkassen übergehen, unterstützen. Die Unterstützung der Krankenkassen nach Satz 1 kann insbesondere die Prüfung der von den Versicherten vorgelegten Unterlagen auf Vollständigkeit und Plausibilität, mit Einwilligung der Versicherten die Anforderung weiterer Unterlagen bei den Leistungserbringern, die Veranlassung einer sozialmedizinischen Begutachtung durch den Medizinischen Dienst nach § 275 Absatz 3 Nummer 4 sowie eine abschließende Gesamtbewertung aller vorliegenden Unterlagen umfassen….“

Damit hat – allerdings nur der gesetzlich versicherte Patient – die Möglichkeit die Behandlung durch medizinischen Sachverstand überprüfen zu lassen. Eine derartige Überprüfung ist wichtig für eine juristische Beurteilung des Falles.

Privat versicherte Patienten können hierzu die Gutachterkommissionen der Ärztekammern in Anspruch nehmen, die selbstverständlich auch den gesetzlich versicherten Patienten zugänglich ist. Allerdings zeigt die Erfahrung, dass die Begutachtungen durch den von den Krankenkassen beauftragten Medizinischen Dienst i.d.R. zeitlich näher erfolgt.

Erst wenn ein derartiges Gutachten vorliegt, das Versäumnisse in der Behandlung bestätigt, ist i.d.R. überhaupt erst eine juristische Bewertung der Erfolgsaussichten eines Schadensersatz- und Schmerzensgeldprozesses möglich.

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Dr. Svenja Kahlke-Kreitzberg

Rechtsanwältin
Fachanwältin für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Medizinrecht
 

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